Dienstag, 3. Juni 2014

Papa

Papa,
Ich muss es wohl einsehen. Ich bin dir egal. Seit Monaten kein Ton mehr. Ja, du fehlst mir. Immer noch. Und dafür hasse ich mich. Ich will meinen alten Papa zurück. Interessiert dich gar nicht was aus mir wird? Du kennst mich kaum mehr. Dabei bin ich dir so ähnlich. Mama ist anders. Immer so laut, immer am diskutieren. Sie will, dass ich anders werden und weniger so wie du bin. Nein, ich hasse dich nicht. Es ist mir nicht egal, dass du einfach so gegangen bist. Ich mich eben nicht damit abgefunden, dass du jetzt ein neues Leben hast und ohne mich glücklich bist.
Vielleicht wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn du etwas gesagt hättest. Oder dich bemüht hättest. Du kannst nicht erwarten, dass alles beim Alten bleibt. Du hättest mehr tun sollen als nach einem Jahr zu fragen, ob ich mit dir Essen gehen will. Ich hätte Zeit gebraucht. Irgendwann hätte ich Ja gesagt. Aber du hast aufgegeben. Bist nur noch gekommen, wenn's ums Geld ging.
Ich wollte mir so oft einreden, dass du tot bist. Schien mir einfacher. Aber dann bist du alle paar Monate da gewesen. Für ein paar Stunden. Und hast mich daran erinnert, dass es dich sehr wohl noch gibt. Und dass das auch sehr wohl noch weißt, dass es mich noch gibt. Du hast mich daran erinnert, dass du jetzt ohne mich bist und du trotzdem glücklich bist. Und daran, dass ich dich gebraucht hätte.
Du hättest meinen ersten Freund kennen lernen sollen. Du hättest auf meinem Abiball sein sollen. Aber dir waren 12 Jahre meines Lebens wohl genug.
Ich würde dir das alles so gerne sagen. Und doch kann ich nicht, weil ich so bin wie du und wir diesen Situationen aus dem Weg gehen.
Vielleicht würdest du auch wütend werden. Ich weiß es nicht, ich kenne dich ja genauso wenig wie du mich. Den "neuen" Papa. Ich könnte mir auch gar nicht vorstellen, dass du wieder bei mir bist.
Und trotzdem vermiss ich dich. Seltsam, nicht?

Ich hab dich lieb, Papa. Ganz egal was war.
Und so wirds leider auch immer sein.
Also bitte tu mir den Gefallen und lass mich dich vergessen, so wie du mich vergessen hast.
Halt dich fern von mir, geh raus aus meinem Kopf. Denn so wie du jetzt bist, so will ich dich nicht mehr.
Du bist nicht mehr mein Vater, ich in nicht mehr dein Kind.

An den Füßen. Damit die Leute in der Uni nichts merken.